Gottvertrauen (Tawakkul) ist einer der edelsten Zustände und eine der wichtigsten Pflichten und Handlungen der Anbetung. Es bedeutet, sich auf Allâh zu verlassen, Ihm zu vertrauen und die Angelegenheiten Ihm zu überlassen. Abdullâh ibn Abbas (möge Allâh mit ihm zufrieden sein) sagte: „Tawakkul ist das Vertrauen auf Allâh. Wahrer Tawakkul ist das Vertrauen auf Allâh und in das, was bei Ihm ist, denn es ist größer und beständiger als das, was du in deiner Welt hast.“ Ibn Radschab sagte: „Tawakkul ist das aufrichtige Vertrauen des Herzens auf Allâh den Erhabenen bei der Erlangung von Nutzen und der Abwehr von Schaden in allen Angelegenheiten der Welt und des Jenseits.“
Aus der Kenntnis Allâhs erwächst das Vertrauen in Allâh. Wer Allâh mit Seinen Namen, Seinen Eigenschaften und Taten kennt, wird unweigerlich zu Seiner Liebe und Verehrung gelangen und sich auf Ihn verlassen. Ibn Qudâma Al-Maqdisî schreibt in „Muchtasar Minhâdsch Al-Qâsidîn“: „Tawakkul ist also, sich auf den zu verlassen, dem man vertraut. Der Mensch vertraut sich einem anderen nur an, wenn er in ihm drei Dinge erkennt: Güte, Macht und Rechtleitung. Hast du dies verstanden, so vergleiche es mit dem Vertrauen auf Allâh den Erhabenen. Wenn sich in deinem Inneren gefestigt hat, dass es keinen Handelnden außer Ihm gibt, und du zugleich überzeugt bist, dass Er vollkommen ist in Wissen, Macht und Barmherzigkeit, und dass es keine Macht außer Seiner Macht, kein Wissen außer Seinem Wissen und keine Barmherzigkeit außer Seiner Barmherzigkeit gibt, dann wird dein Herz unweigerlich auf Ihn allein vertrauen und sich in keiner Weise anderen zuwenden.“
Ibn Al-Qayyim schreibt in „Madâridsch As-Sâlikîn“: „Tawakkul ist die Hälfte der Religion, und die andere Hälfte ist Inâba (die fortwährende Rückkehr zu Allâh in Hingabe und Reue). Denn die Religion besteht aus dem Bitten um Hilfe und der Anbetung. Tawakkul ist das Bitten um Hilfe, und Inâba ist die Anbetung. Die (spirituelle) Station des Tawakkul ist die umfassendste und weitreichendste aller Stationen. Sie bleibt immer von den Menschen bewohnt, die sich dort aufhalten, weil der Wirkungsbereich des Tawakkul so groß, die Bedürfnisse der Menschen so vielfältig und das Gottvertrauen so universell ist.“
Der edle Qurân ist voll von Versen, die das Vertrauen auf Allâh erwähnen. Allâh der Erhabene fordert die Gläubigen dazu auf: „Und verlasst euch auf Allâh, wenn ihr gläubig seid“ (Sûra 5:23). „Und auf Allâh sollen sich die Gläubigen verlassen“ (Sûra 5:11). Er befahl auch Seinem Propheten (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken), Vertrauen auf Allâh zu haben: „Und verlasse dich auf Allâh. Allâh genügt als Sachwalter“ (Sûra 33:3). „So verlasse dich auf Allâh, denn du verfährst nach der offenkundigen Wahrheit“ (Sûra 27:79). As-Sa‘dî sagte: „Das bedeutet: Verlass dich auf deinen Herrn, um Nutzen zu erlangen, Schaden abzuwehren, die Botschaft zu verkünden, die Religion zu etablieren und die Feinde zu bekämpfen.“
Tawakkul steht nicht im Widerspruch zum Einsatz von Mitteln
Wahres Gottvertrauen bedeutet, sich auf Allâh zu verlassen und Ihm alle Angelegenheiten anzuvertrauen, denn Er bürgt für die Angelegenheiten Seiner Diener und ist der Allmächtige. Gleichzeitig bedeutet es aber auch, sich um die Mittel zu bemühen, die Allâh, der Erhabene, befohlen hat, und die üblicherweise angewandt werden, wie z. B. das Tragen von Kleidung, um sich vor Hitze und Kälte zu schützen, das Essen und Trinken, um Hunger und Durst zu stillen, das Heiraten für den, der Kinder will, das Säen von Samen für den, der eine Ernte will, die Einnahme von Medikamenten für den, der Heilung will, die Vorbereitung auf den Kampf auf dem Weg Allâhs. Es gibt absolut keinen Widerspruch zwischen dem Gottvertrauen und dem Einsatz von Mitteln. Der Muslim ist vielmehr dazu verpflichtet, auf Allâh zu vertrauen und sich gleichzeitig um die erlaubten Mittel zu bemühen. Allâh der Erhabene sagt: „Er ist es, Der euch die Erde fügsam gemacht hat. So geht auf ihrem Rücken einher“ (Sûra 67:15). „O die ihr glaubt, seid auf eurer Hut“ (Sûra 4:71). „Und haltet für sie bereit, was ihr an Kraft und an kampfbereiten Pferden (haben) könnt“ (Sûra 8:60). „So verzeihe ihnen, bitte für sie um Vergebung und ziehe sie in den Angelegenheiten zu Rate. Und wenn du dich entschlossen hast, dann verlasse dich auf Allâh!“ (Sûra 3:159). Schaich Ibn Uthaimîn sagte: „Tawakkul ist das aufrichtige Vertrauen auf Allâh den Erhabenen bei der Erlangung von Nutzen und der Abwehr von Schaden, in Verbindung mit dem Einsatz der Mittel, die Allâh befohlen hat. Dies ist eine gute und umfassende Definition.“
Von Umar ibn Al-Chattâb (möge Allâh mit ihm zufrieden sein) wurde überliefert, dass der Prophet (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) sagte: „Wenn ihr euch auf Allâh so verlasst, wie es Ihm gebührt, wird Er euch gewiss versorgen, so wie Er die Vögel versorgt. Sie ziehen am Morgen hungrig aus und kehren am Abend satt zurück“ (At-Tirmidhî).
Ibn Radschab schreibt in „Dschâmi Al-Ulûm wa Al-Hikam“: „Bei diesem Hadîth handelt es sich um einen grundlegenden Text über Tawakkul.“ At-Tîbî sagte: „Sein Wort ‚wie es Ihm gebührt‘ bedeutet, dass man mit Gewissheit weiß, dass es keinen Handelnden außer Allâh gibt, und dass alles –Schöpfung, Versorgung, Geben und Nehmen, Leben und Tod, Reichtum und Armut – von Allâh dem Erhabenen kommt. Dann bemüht man sich auf die beste Art und Weise um das, was man sich wünscht. Dies wird durch den Vergleich mit den Vögeln deutlich, die morgens hungrig aufbrechen und Nahrung suchen, um abends satt zurückzukehren.“
Al-Munâwî sagte: „‚Wenn ihr euch auf Allâh so verlasst, wie es Ihm gebührt, wird Er euch gewiss versorgen, so wie Er die Vögel versorgt. Sie ziehen am Morgen hungrig (chimâs) aus‘: ‚Chimâs‘ ist die Pluralform von ‚chamîs‘ und bedeutet ‚hungrig‘. ‚und kehren am Abend satt zurück‘: ‚bitân‘ ist die Pluralform von ‚batîn‘, was ‚satt‘ bedeutet, d. h. sie gehen am Morgen hungrig hinaus und kehren am Abend mit vollen Bäuchen zurück. Durch Erwerb und eigenes Bemühen (Kasb) erlangt man keine Versorgung, denn der Versorger ist Allâh. Damit deutete er darauf hin, dass Tawakkul nicht Untätigkeit und Passivität bedeutet, sondern dass man sich um ein Mittel zum Erwerb bemühen muss, denn die Vögel werden durch das Suchen und Bemühen versorgt. Daher sagte Ahmad: ‚Der Hadîth enthält keinen Hinweis auf das Unterlassen des Erwerbs durch eigene Anstrengung. Vielmehr bezieht er sich auf das Streben nach Rizq (Versorgung). Der Prophet wollte damit sagen, dass, wenn sie sich auf Allâh verlassen würden, bei ihrem Ausgehen und Zurückkehren und in all ihren Handlungen, und wenn sie wüssten, dass das Gute in Seiner Hand liegt, sie stets als Sieger hervorgehen und sicher wären so wie die Vögel. Doch sie vertrauen auf ihre eigene Kraft und ihr eigenes Tun, was dem Tawakkul widerspricht.“
Ibn Al-Qayyim schreibt in „Zâd Al-Ma‘âd": „Die wahre Bedeutung des Tauhîd (Bekenntnis zum Einssein Allâhs) entfaltet sich erst vollends durch den Einsatz der von Allâh dem Erhabenen zur Verfügung gestellten Mittel. Wer diese Mittel unterlässt, beeinträchtigt das Gottvertrauen selbst. Dieses Unterlassen ist ein Zeichen von Schwäche, das dem Wesen des Gottvertrauens widerspricht. Denn wahres Gottvertrauen bedeutet, dass das Herz fest auf Allâh vertraut, um das zu erlangen, was dem Gläubigen in seinem religiösen und weltlichen Leben nützt, und um das abzuwenden, was ihm schadet. Dieses Vertrauen muss jedoch stets mit dem Einsatz von Mitteln verbunden sein. Andernfalls würde es der Weisheit und der Scharîa widersprechen. Der Gläubige darf seine bewusste Schwäche nicht mit Gottvertrauen verwechseln und umgekehrt sein Gottvertrauen nicht als Schwäche missdeuten.“
Ibn Hadschar schreibt in „Fath Al-Bârî“: „Mit Tawakkul ist die Überzeugung von dem gemeint, worauf diese Âya hinweist: ‚Und es gibt kein Tier auf der Erde, ohne dass Allâh sein Unterhalt obläge‘ (Sûra 11:6). Es bedeutet nicht, die Ursachen aufzugeben und sich auf das zu verlassen, was von den Geschöpfen kommt, denn das könnte zum Gegenteil dessen führen, was mit Tawakkul gemeint ist. Ahmad wurde nach einem Mann gefragt, der in seinem Haus oder in der Moschee saß und sagte: ‚Ich werde nichts tun, bis meine Versorgung zu mir kommt.‘ Ahmad antwortete: ‚Dieser Mann hat kein Wissen. Denn der Prophet (möge Allâh ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) sagte: ‚Allâh hat meine Versorgung unter den Schatten meines Speeres gelegt.‘ Der Prophet sagte auch: ‚Wenn ihr euch auf Allâh so verlasst, wie es Ihm gebührt, wird Er euch gewiss versorgen, so wie Er die Vögel versorgt. Sie ziehen am Morgen hungrig aus und kehren am Abend satt zurück.‘ Er meint also, dass sie morgens und abends losfliegen, um nach Rizq zu suchen.‘“