Dschâbir ibn Abdullâh

05/04/2011| IslamWeb

Als sich Abdullâh ibn Amr in der Schlacht von Uhud der muslimischen Armee anschloss, ließ er seinen Sohn Dschâbir in Madîna, damit dieser auf die Familie aufpasse. Abdullâh hatte viele Töchter. Er beauftragte seinen einzigen Sohn damit, auf sie Acht zu geben und erlaubte ihm nicht sich den Kämpfern anzuschließen. Die Muslime kehrten von dieser Schlacht geschlagen zurück und hatten eine große Zahl an Männern verloren. Abdullâh ibn Amr war unter den Märtyrern.

 
Dschâbir war betrübt über die Nachricht des Todes seines Vaters. Er war ein junger Mann, der noch nicht einmal zwanzig Jahre alt war. Er wusste nicht, wie er auf seine Schwestern aufpassen und zudem die Schulden seines Vaters zurückzahlen sollte. Er fühlte sich durch diese plötzliche Verantwortung überfordert. Seine Sorgen blieben dem Propheten nicht verborgen, und er fragte: „Warum sehe ich dich so betrübt?“ Dschâbir antwortete: „Mein Vater wurde in Uhud erschlagen und er hinterließ viele Kinder und hohe Schulden.“ Der Prophet tröstete ihn, indem er zu ihm sagte, dass sein Vater zu den Märtyrern gehöre, und rezitierte ihm Allâhs Worte: „Und haltet diejenigen, die um Allâhs willen getötet wurden, ja nicht für tot! Sie sind vielmehr lebend bei ihrem Herrn; sie werden versorgt.“ (Sûra 3:169). Sein Herz wurde erleichtert, als er diese Verse hörte.
 
Dschâbir heiratete eine Witwe, die älter war als er, obwohl er ein junger Mann war und eine junge Jungfrau hätte heiraten können. Doch er dachte klugerweise, dass sie ihm besser dabei helfen könnte, seine jüngeren Schwestern aufzuziehen. Seine Sorgen waren nicht vorbei, da er noch die Schulden seines Vaters tilgen musste, zumal die Kreditgeber ständig an seine Tür klopften und ihm keine Zeit mehr gaben. Sein Vater hinterließ keinen Besitz außer einem kleinen Palmenhain, der kaum genügend Früchte hervorbrachte um sie zu ernähren. Er überlegte sich, den Propheten um Hilfe zu bitten, da dieser sich niemals weigerte ihm zu helfen. Er sagte zu ihm: „O Gesandter Allâhs! Leute klopfen an meine Tür und fordern mich auf, die Schulden meines Vaters zu zahlen, doch er hinterließ nur einen kleinen Palmenhain, dessen Früchte nicht einmal einen Teil der Schulden decken werden. Kannst du bitte mit mir kommen, damit die Kreditgeber nicht schroff zu mir sind?“ Er sagte: „Ich werde bald kommen, zur Mittagszeit. Geh jetzt und ernte deine Datteln!“
 
Die Leute eilten zu Dschâbir, da er in seinem Garten saß und seine Datteln verlas. Er bat sie auf den Propheten zu warten, der versprochen hatte, ihm zu helfen. Jetzt, da sie den Namen des Propheten gehört hatten, redeten die Leute nicht mehr, außer einem Juden, der sich weigerte auch nur einen Moment zu warten. Er sagte: „Ich habe mit Muhammad nichts zu tun. Zahle mir die Schulden jetzt sofort zurück!“ Als die Sonne fast im Zenit stand, sahen sie den Propheten eilig kommen, wobei Schweiß von seiner Stirn tropfte. Er fragte den Juden: „Akzeptierst du, dass dir ein Teil der Schulden jetzt gezahlt und der Rest auf nächstes Jahr aufgeschoben wird?“ „Niemals!“ sagte er und versuchte verschiedene Entschuldigungen vorzubringen. Der Prophet lief um die angehäuften Datteln herum und bat um Allâhs Segen. Dann sagte er zu Dschâbir: „Rufe die Leute und wiege für sie ab!“ Er blieb eine Weile, dann ging er. Was Dschâbir betrifft, so wog er die Datteln für seine Kreditgeber ab, bis er alle Schulden seines Vaters getilgt hatte, und zu seinem großen Erstaunen waren die Dattelhaufen immer noch so hoch, als hätte er nichts von ihnen weggenommen! Er konnte seinen Augen kaum trauen.
 
Dschâbir ging zurück nach Hause und erzählte seiner Frau, was geschehen war. „Allâh hat die Schulden meines Vaters getilgt. Ich wäre vollkommen zufrieden gewesen, wenn ich alle Schulden getilgt hätte und keine einzige Dattel für uns übrig geblieben wäre, doch auf Grund Allâhs Gnade, haben wir noch den Großteil unserer Ernte!“
 
Dschâbir hatte viele Schlachten verpasst, da ihn sein Vater damit beauftragt hatte auf seine Schwestern aufzupassen, während er mit den Kämpfern unterwegs war. Doch nach dem Tod seines Vaters verpasste er keine einzige Gelegenheit um seine Pflicht zum bewaffneten Kampf zu erfüllen. Ein Feldzug bedeutete ihm besonders viel, weil ihm ein unvergessliches Ereignis mit dem Propheten widerfuhr, von dem er nicht müde wurde, es immer wieder zu erzählen. Sie kamen von der Schlacht Dhât Ar-Riqâ nahe dem Gebiet Nadschd zurück. Der Prophet hielt für eine Weile und blieb zurück. Während er sich beeilte, seine Gefährten zu erreichen, sah er Dschâbir auf dessen rotem Kamel am Ende des Konvois. Das Kamel trottete langsam und Dschâbir schlug es energisch mit einem Stock, doch es weigerte sich schneller zu laufen. „Was ist los, Dschâbir?“ fragte der Prophet. „Mein Kamel ist so langsam. Ich liege zurück“, sagte Dschâbir. „Gib mir den Stock und halt dich an deinem Reittier fest“, sagte der Prophet. Er gab dem Kamel einen leichten Schlag mit dem Stock, und sobald er dies getan hatte, sprang und rannte es, als wäre ihm ein neues Leben gegeben worden. Dschâbir erreichte die Spitze des Konvois unter den staunenden Augen seiner Freunde, die ihn fragten, was mit seinem Kamel geschehen sei. Der Anblick von Dschâbir, der sich kaum auf seinem Kamel halten konnte, das alle anderen Kamele überholte, amüsierte den Propheten. „Wie findest du dein Kamel jetzt?“ fragte er ihn. „In bestem Zustand“, antwortete er. „Dein Segen hat es erreicht und ich habe es noch nie so schnell rennen sehen wie heute.“ „Würdest du es mir verkaufen?“ fragte der Prophet. „Ich gebe es dir gern als Geschenk.“, sagte er. „Nein, verkauf es mir lieber!“ „Ich stimme zu, wenn du den Preis bestimmst.“, entgegnete er. „Dann kaufe ich es für einen Dirham!“, sagte der Prophet. „Gibst du mir viel weniger als es wert ist?“, fragte er. „Dann zwei Dirham!“ Doch er lehnte ab. Der Prophet steigerte den Preis, bis er anbot, es für eine Ûqiya (arabische Unze) Gold zu kaufen. Dschâbir sagte: „Ich schulde einem Mann eine Ûqiya Gold. Deshalb werde ich es dir verkaufen und meine Schulden zahlen.“ Der Prophet streckte die Hand nach dem Kamel aus, um das Kamel zu ergreifen, doch Dschâbir sagte: „O Gesandter Allâhs, ich habe eine letzte Bedingung: dass du mich es reiten lässt, bis wir in Madîna sind.“ Er lächelte und sagte: „Du darfst es bis Madîna reiten.“ Er ritt neben dem Propheten und hielt die Zügel fest, um es zu bändigen, während der Prophet fortwährend sagte: „O Allâh, vergib Dschâbir all dessen Sünden!“
 
Am nächsten Tag, als sie Madîna erreicht hatten, ging Dschâbir zur Prophetenmoschee, um ihm sein Kamel zu übergeben. Als er das Kamel sah, lächelte der Prophet und hielt es an seinen Zügeln und lief damit herum, wobei er sagte: „Jetzt gehört uns das Kamel.“ Dann sagte er zu Bilâl: „Gib ihm eine Ûqiya Gold und noch ein bisschen mehr!“ Dschâbir verließ die Moschee sehr zufrieden mit dem Geschäft und freute sich darauf, die Neuigkeiten seiner Frau zu überbringen. Dann hörte er jemanden rufen: „Der Gesandte Allâhs will, dass du zurückkommst!“ Er sagte zu sich: „Ich hoffe, der Gesandte Allâhs ist glücklich mit seinem Kamel.“ Als der Prophet ihn sah, fragte er ihn: „Bist du mit dem Preis zufrieden?“ „Ja, und möge Allâh dich für das zusätzliche Geld belohnen!“ „Dann nimm dein Kamel! Es gehört dir.“, sagte der Prophet. „Wieso, o Gesandter Allâhs? Das Kamel gehört rechtmäßig dir, da ich seinen Preis erhalten habe!“ „Das Geld und das Kamel gehören dir.“, sagte der Prophet. Dann klopfte er Dschâbir auf die Schulter und sagte: „Dachtest du, dass ich mit dir feilschen würde, um dir dein Kamel wegzunehmen? Das war nicht meine Absicht!“ Dschâbir dankte dem Propheten für seine große Freigiebigkeit und seine Freundlichkeit und ging überglücklich nach Hause.
 
Dschâbir erzählte seiner Frau, was geschehen war. Sie lachte eine lange Weile und sagte dann: „Ich hatte das vom Propheten erwartet.“ Dschâbir sagte: „Mir ging es auch so, als der Prophet mit mir feilschte.“
 
Dschâbir passte sehr auf sein Kamel auf, da es ihm nach diesem Ereignis so sehr ans Herz gewachsen war. Das Kamel diente ihm zur Zeit des Propheten und danach in der Zeit des Kalifen Abû Bakr. Und als es alt wurde, sagte der Kalif zu ihm, dass er es mit der Kamelherde grasen lassen solle, die für Almosen bestimmt ist und frei im Weideland umherzieht.
 
Dies war die Geschichte von Dschâbir und seinem Kamel. Eine Geschichte, die nicht nur die Kameradschaft des Propheten mit seinen Gefährten hervorhebt, sondern auch seine großartige Nachsicht und Freigiebigkeit und die starke Liebe, die sie für ihn verspürten.

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