Darf man wegen einer Psychose das Fasten unterlassen?

02/08/2012| IslamWeb

Titel: Was ist die Krankheit der Psychose? Erlaubt sie jemandem das Unterlassen des Fastens im Ramadân?

Frage: As-Salâmu alaikum!

Ich möchte fragen, ob jemand, der an einer Psychose leidet – er ist übrigens ein Verwandter von mir – das Fasten im Ramadân unterlassen darf. Es ist zu erwähnen, dass er dies bewusst macht. Er ist Raucher. Trifft diese Krankheit Drogenabhängige? Es ist ferner zu erwähnen, dass er sehr nervös ist und Tabletten einnimmt. Jedoch verrichtet er das rituelle Gebet, auch wenn nicht immer. Er erkennt die Bedeutsamkeit des rituellen Gebets an und glaubt, dass seine Krankheit ihm das Unterlassen des Fastens erlaubt. Sein Charakter scheint ausgeglichen und zugleich unausgeglichen. Wie kann man nun mit ihm umgehen? Kann es sein, dass er diese Krankheit nur vortäuscht, auch wenn der Arzt diese diagnostiziert hat? Kann jemand, der an dieser Krankheit leidet, mit Menschen normal zusammenleben? Er verursacht nämlich Probleme innerhalb der Familie und ist aggressiv.

Ich entschuldige mich, dass ich viel geschrieben habe. Informiert mich darüber, möge Allâh es euch mit dem Besten vergelten und euch segnen!

Antwort: Im Namen Allâhs des Allerbarmers des Allbarmherzigen!

Geehrte Schwester, As-Salâmu alaikum wa rahmatu-llâhi wa barakâtuh!

Und nun zur Frage:

Du hast richtig gehandelt, indem du diese Frage gestellt hast, die zur Zusammenarbeit in frommer Güte und demütiger Ehrfurcht gegenüber Allâh gehört; denn du beabsichtigst damit, deinem Verwandten Gutes zu tun. Du beabsichtigst damit sogar das Gebieten des Rechten und das Verbieten des Verwerflichen, weil du siehst, dass er Handlungen vornimmt, die der Anordnung Allâhs des majestätisch Hocherhabenen widersprechen. All dies lässt dich, aller Lobpreis gebührt Allâh, zu denjenigen gehören, auf die die folgenden Worte Allâhs des Erhabenen zutreffen: „... und arbeitet zusammen in frommer Güte und demütiger Ehrfurcht gegenüber Allâh! ...“ (Sûra 5:2). Und die Worte des Erhabenen: „Und die Männer, die den Glauben verinnerlicht haben, und die Frauen, die den Glauben verinnerlicht haben, sind einer von ihnen des Anderen vertrauter Freund. Sie gebieten das Rechte und verbieten das Verwerfliche und verrichten das rituelle Pflichtgebet und entrichten die Zakâ und gehorchen Allâh und Seinem Gesandten. Jene – Allâh wird sich ihrer erbarmen. Wahrhaftig, Allâh ist allmächtig, allweise!“ (Sûra 9:71). Und die Worte des Propheten  möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken : „Religion ist aufrichtiger Ratschlag." Man fragte: „Um wessentwillen, o Gesandter Allâhs?“ Er erwiderte: „Um Allâhs, Seines Offenbarungsbuches, Seines Gesandten sowie der Oberhäupter und der breiten Masse der Muslime willen.“ (Überliefert von Muslim in dessen Sammlung authentischer Hadîthe.)

Was deine geschätzte Frage betrifft, so sollst du die Bedeutung des Begriffes der Psychose kennen. Grundsätzlich sollst du wissen, dass die Krankheiten, die den Menschen treffen, sowohl physischer als auch psychischer Natur sind. Physische Krankheiten sind die den Menschen bekannten, darunter fallen leichte Krankheiten, wie etwa Schnupfen, sowie schwere Krankheiten, wie etwa Krebs, Tuberkulose, Lepra und andere. Möge Allâh uns und alle Muslime von ihnen verschonen!

Psychische Krankheiten hingegen sind etwa Verstörtheit, Einflüsterung, Depression, soziale Phobie und andere bekannte Krankheiten. Der Begriff „Psychose“ bezieht sich auf die geistigen Krankheiten. Es gibt also einen Unterschied zwischen Geisteskrankheiten und den psychischen Krankheiten, auch wenn beide hinsichtlich der Wissenschaft und der Heilbehandlung unter die Psychologie fallen. Der Begriff „Psychose“ hängt also mit den Geisteskrankheiten zusammen und umfasst zahlreiche Arten unterschiedlichen Grades; ebenso gleicht keine Psychose der anderen und daher ist sie nicht eindeutig zu definieren.

Fazit der Begriffserklärung von „Psychose“ ist, dass es sich dabei um eine Geisteskrankheit handelt, womit sie nicht zu den psychischen Krankheiten gehört, auf die wir hingewiesen haben, obwohl all diese Begriffe zur Psychologie zählen, wie wir erwähnt haben. Klar wird dir dies, wenn du weißt, dass die meisten Psychosen (das heißt die Geisteskrankheiten aus psychologischer Sicht) nicht von einem organischen (physiologischen), sondern von einem funktionellen Mangel abhängig sind, das heißt, das Nervensystem ist physiologisch betrachtet gesund, jedoch verhält sich der Kranke in einer Weise, die die funktionelle Störung dieses Nervensystems beweist. Die meisten Psychosen lassen sich demnach auf einen funktionellen und nicht auf einen physiologischen Mangel zurückführen. Nun hast du mit der Gunst Allâhs in kurzen Worten erfahren, was Psychosen sind.

Nachdem du dies weißt, sollst du wissen, dass die religiöse Verantwortung des Gläubigen grundsätzlich dadurch erfolgt, dass er im Vollbesitz seiner geistigen und körperlichen Kräfte ist. Sobald also der Verstand in der Lage ist zu verstehen und zu begreifen und der Mensch körperlich fähig ist, ist er zu allen schariatischen Pflichten nach seinem Vermögen verpflichtet. Es ist bekannt, dass die mentale Psychose nicht unbedingt dazu führt, dass der Mensch seine Vernunft gänzlich verliert. Es kann sein, dass der Mensch bei vielen Arten der Schizophrenie mit den Menschen in guter äußerer Koexistenz lebt, auch wenn er unter Schizophrenie leidet, die bekanntermaßen zu den geistigen Krankheiten gehört. Leidet demnach ein Mensch an mentaler Psychose, so heißt dies nicht unbedingt, dass die Verpflichtung zum Beachten der religiösen Vorschriften für ihn entfällt. Ganz im Gegenteil, die Verpflichtung zum Beachten der religiösen Vorschriften entfällt meistens nicht, weil ein ausreichendes Maß an Verstand und Handlungsfähigkeit vorhanden ist. Störungen treffen ja einen Menschen bei vielen Verhaltensweisen, und zwar je nach Art der Psychose, an der er leidet. Jedoch verliert man bei den meisten Arten der Psychose nicht vollständig den Verstand. Das Verstehen und die Fähigkeit zum Begreifen sind in den meisten Fällen vorhanden, und aller Lobpreis gebührt Allâh! Daher ist es erforderlich, die Art der Psychose, an der ein Mensch leidet, und deren Intensität zu kennen, damit ein Spezialist diesen Fall beurteilen und erkennen kann, ob er zu den Bagatellfällen gehört und somit die Verpflichtung zum Beachten der religiösen Vorschriften für ihn entfällt oder nicht.

Man soll ferner einen an Psychose Leidenden nicht wie einen Kranken behandeln oder ihm dies zu verstehen geben, damit sich dies nicht in seine Seele eingräbt. Es ist anzunehmen, dass dein Verwandter zu einem Psychiater ging und dieser ihm mitteilte, dass er eventuell unter einer Psychose leidet. Dadurch festigte sich bei ihm der Gedanke, dass er geistesgestört ist. Er wusste, dass die Verpflichtung zum Beachten der religiösen Vorschriften im Islâm für einen Geistesgestörten entfällt, weshalb er das Fasten unterließ und das rituelle Gebet vernachlässigte, weil sich dieser Gedanke in ihm festgesetzt hatte. Diese Angelegenheit geht meistens darauf zurück, dass man den Begriff Psychose missversteht und glaubt, dass es sich dabei um einen absoluten Wahnsinn handelt, doch ist dem nicht so. Vielmehr handelt es sich um eine geistige Krankheit, wie wir oben erwähnt haben. Ein an einer Psychose Leidender verrichtet eventuell alle islâmischen und gesellschaftlichen Pflichten, darunter die ehelichen und pädagogischen Pflichten. Daher muss man die Psychose, deren Art und Intensität sowie die damit verbundenen Symptome kennen, damit man jeden einzelnen Fall beurteilen kann. Für die Angelegenheit gibt es weder einen allgemeinen Ursprung noch eine allgemeingültige Regel, die all diese Fälle umfasst. Dies ist eine Angelegenheit, die man unbedingt kennen und verstehen sollte.

Was nun deine Frage betrifft: Kann eine Person einem Psychiater vortäuschen, dass er unter einer Psychose leidet? Die Antwort lautet: „Ja, dies kommt eventuell vor!“ Wenn ein Mensch also die Natur und die verschiedenen Symptome derartiger Anfälle kennt und er diese nachahmen kann, kann er dies möglicherweise so vortäuschen, ohne dass der Arzt dies begreift. Dies hängt damit zusammen, wie du wissen musst, dass die Psychose meistens keine körperlichen Symptome aufweist, die man bei einer medizinischen Untersuchung erkennen könnte. Vielmehr handelt es sich um Symptome, die beim Menschen erscheinen, obwohl das Nervensystem gesund ist. So beurteilt der Facharzt auf Grund der beim Kranken vorhandenen Symptome, die in der Regel der Kranke selbst von sich erzählt oder die seine Freunde oder Verwandte an seiner Stelle beschreiben, ob diese Krankheit vorliegt oder nicht. Demnach erfolgt die Diagnose entsprechend der äußeren erkennbaren Symptome. Man kann dies also vortäuschen und sich in die Rolle eines Kranken versetzen, weil die Psychose meistens keine körperlichen Auswirkungen hat, die durch medizinische Untersuchungen festzustellen wären.

Wenn du das genaue Krankheitsbild deines Verwandten erfahren möchtest, kannst du seinen Fall ausführlich geschildert an uns schicken, damit du eine spezielle Antwort für diesen Fall bekommst. Möge Allah euch Seine Barmherzigkeit und Seinen Edelmut angedeihen lassen! Und wir bitten Allâh den Allmächtigen und Majestätischen, dass Er euer Herz öffnet, eure Angelegenheiten erleichtert, euch zu den rechtschaffenen anbetend Dienenden Allâhs gehören lässt und uns und allen Muslimen Wohlergehen gewährt!

Und Allâh verleiht den Erfolg!

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