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Islâmische Krankenhäuser und medizinische Fakultäten im Mittelalter

 Islâmische Krankenhäuser und medizinische Fakultäten im Mittelalter

Die islâmische Zivilisation des Mittelalters richtete ein großes Augenmerk auf die Entwicklung der Medizinwissenschaften. Ein Schlüsselaspekt zu jener Zeit war das Entstehen von Krankenhäusern und medizinischen Fakultäten. Kranke betrachteten Krankenhäuser, individuell bezeichnet als  „Bimaristan“ (Heim der Kranken), als einen Ort, an dem sie behandelt und möglicherweise von Ärzten kuriert werden konnten. Praktische Ärzte betrachteten den „Bimaristan“ als eine Einrichtung, die sich mit der Gesundheitsförderung, der Heilung von Krankheiten und der Entwicklung und Verbreitung von medizinischem Wissen beschäftigt.

 

Medizinische Fakultäten und Bibliotheken, an denen Chefärzte den Studenten medizinische Techniken lehrten, sowie die Art und Weise, wie sie ihr Wissen bei der Behandlung ihrer Patienten anwandten, waren an die größeren Krankenhäuser angeschlossen. Die Krankenhäuser boten Prüfungen für ihre Studenten an und stellten Diplome aus. Das „Bimaristan“ war kurz gesagt die Wiege der arabischen Medizin und der Prototyp, auf dem das moderne Krankenhaus beruht. Diese Einrichtungen waren nicht nur entscheidend für die Verbreitung medizinischen Wissens, sondern bildeten auch die Grundlage für Krankenhäuser und medizinische Fakultäten, wie wir sie heute kennen.

 

Bis zum 11. Jahrhundert gab es sogar mobile Kliniken, deren Personal aus Mitarbeitern der Krankenhäuser bestand. Diese Kliniken brachten medizinische Versorgung zu denen, die zu weit entfernt oder zu krank waren, um selbst zu den Krankenhäusern zu kommen. Frühe islâmische medizinische Dienstleistungen kann man in mobile Apotheken, Erste-Hilfe-Zentren und ortsfeste Krankenhäuser unterteilen.

 

Mobile Apotheken

Die Idee einer mobilen Apotheke reicht bis in die Zeit des Propheten Muhammad (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) zurück. Während der Grabenschlacht wurde für die Verwundeten ein gesondertes Zelt aufgestellt. Als Sa'd ibn Mu'âdh verwundet und ein Blutgefäß an seinem Arm verletzt worden war, ordnete der Prophet (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) an, dass er im Zelt behalten werden sollte, damit er sich persönlich um ihn kümmern könne.

 

Spätere Kalifen und Herrscher entwickelten und erweiterten diese mobilen Lazaretteinheiten zu echten mobilen Apotheken samt Ärzten und Apothekern. Ihre Aufgabe war es, die Bedürfnisse abgelegener Gemeinden zu befriedigen, die weit von den großen Städten und ständigen medizinischen Einrichtungen entfernt waren. Während der Herrschaft des seldschukisch-türkischen Sultans Muhammad Seldschuki wurden die mobilen Kliniken so umfangreich, dass deren Ausstattung vierzig Kamele zum Transport benötigte.

 

Ortsfeste Krankenhäuser

Das erste muslimische Krankenhaus, ein Seuchenhaus, wurde in der Zeit von Al-Walîd ibn Abdulmalik erbaut. Ärzte, die in diesem Krankenhaus angestellt waren, bekamen Grundstücke und Gehälter. Patienten wurden im Grunde genommen auf Grund der ansteckenden Eigenschaft ihrer Krankheit in die Einrichtung gesperrt, bekamen allerdings eine finanzielle Unterstützung (wie es die Blinden erhielten), um ihre Familien zu versorgen.

 

Harûn Ar-Raschîd errichtete ungefähr im Jahre 805 in Bagdad das erste gewöhnliche Krankenhaus im heutigen Sinne des Begriffes. Innerhalb eines Jahrzehnts oder zwei entstanden weitere 34 Krankenhäuser in der islâmischen Welt und die Anzahl wuchs jährlich. In Spanien gab es allein in Cordoba 50 Großkrankenhäuser. Einige dieser Krankenhäuser waren für das Militär reserviert und hatten ihre eigenen Spezialärzte. Diese Ärzte ergänzten die Spezialärzte, die den Kalifen, den Militärkommandeuren und den Adligen dienten.

 

Es gab auch Sonderkrankenhäuser für verurteilte Gefangene. Ein Arzt untersuchte die Gefangenen täglich und wurde mit den notwendigen Mitteln zur Behandlung ausgestattet. Der Wesir Ali ibn Îsâ ibn Dscharra ibn Thâbit schrieb dem Amtsarzt von Bagdad Folgendes: „Ich mache mir sehr große Sorgen um die Gefangenen. Ihre große Anzahl und der Zustand der Gefängnisse verursachen gewiss, dass viele von ihnen leiden. Deshalb bin ich der Meinung, dass sie ihre eigenen Ärzte haben sollten, die sie täglich untersuchen und ihnen gegebenenfalls Medikamente und Kräuterabsud verabreichen. Derartige Ärzte sollten alle Gefängnisse besuchen und dort die kranken Gefangenen behandeln!“

 

Andere Krankenhäuser waren auf 24-Stunden-Basis für alle geöffnet, die es benötigten. Einige behandelten nur Männer oder Frauen, während andere in gesonderten Flügeln beide Geschlechter behandelten, allerdings mit zweifachen Einrichtungen und Betriebsmitteln. Krankenhäuser wurden in verschiedene Abteilungen unterteilt, darunter: Allgemeine Erkrankungen, Augenheilkunde, Chirurgie und Geisteskrankheiten. Die Abteilung der Allgemeinen Medizin war, entsprechend der heutigen Abteilung für Innere Medizin, für gewöhnlich zusätzlich in die Bereiche Fieber und Verdauungsprobleme unterteilt. Größere Krankenhäuser hatten mehr Abteilungen und weitere Unterspezialisierungen.

 

Jede Abteilung hatte einen verantwortlichen Amtsarzt und einen vorsitzenden Leiter neben einem Aufsicht führenden Spezialisten. Es gab einen Leiter, der „Sa'ur“ genannt wurde und für die Beaufsichtigung der Verwaltung der gesamten Einrichtung verantwortlich war. Das Krankenhauspersonal bestand aus einem Hygieneinspektor, der dafür verantwortlich war, sicherzustellen, dass Reinheit und hygienische Verfahren gewahrt werden. Zusätzlich gab es Buchhalter und weiteres Verwaltungspersonal, um sicherzustellen, dass der Zustand des Krankenhauses – finanziell und anderweitig – anerkannte Normen erfüllt.  

 

Ärzte arbeiteten festgelegte Stunden, während derer von ihnen erwartet wurde, die Patienten zu besuchen, die zu ihren Abteilungen kamen. Jedes Krankenhaus hatte sein eigenes Personal an zertifizierten Apothekern und Krankenschwestern. Die Gehälter des medizinischen Personals waren gesetzlich festgelegt und Aufwandsentschädigungen wurden in hohen Sätzen gezahlt.

 

Krankenhäuser waren wie auch die ärztliche Betreuung überhaupt kostenlos und für alle zugänglich – Reiche oder Arme; Ausländer oder Einwohner; Bürger oder Adlige. Ambulante Kliniken, in denen weniger schweren Fällen verschriebene Medikamente verabreicht wurden, die zu Hause einzunehmen waren, waren mit Ärzten besetzt. Schwere Fälle, die regelmäßige Aufsicht und Betreuung erforderten, wurden an Krankenhäuser überwiesen. Stationär Behandelten wurde von einem zentralen Versorgungsbereich Krankenhauskleidung ausgehändigt, während ihre eigene Kleidung im Krankenhauslager aufbewahrt wurde. Wenn ein Patient auf die Krankenstation gebracht wurde, fand er ein Bett mit sauberem Bettlaken vor. Der Behandlungsverlauf, der vom Doktor angeordnet wurde, begann unmittelbar nach der Ankunft und die Krankenhauszimmer und Krankenstationen waren sauber und aufgeräumt und verfügten über reichliche Wasserversorgung.

 

Die Patienten wurden entsprechend ihres Zustands und ihrer Krankheit auf eine festgelegte Diät gesetzt. Das Kriterium vollkommen wiedererlangter Gesundheit (nach der Genesung von der Krankheit) lautete, dass der Patient in der Lage war, eine Menge an Brot einzunehmen, die normalerweise von einer völlig gesunden Person eingenommen wird, und zwar gleichzeitig mit dem gebratenen Fleisch eines ganzen Vogels. Wenn er es mit Leichtigkeit verdauen konnte, dann wurde er als völlig genesen und gesund angesehen und entlassen. Patienten, die von ihren Krankheiten kuriert, jedoch als zu schwach zur Entlassung betrachtet wurden, wurden auf die Genesungsstation überwiesen, bis sie stark genug waren, um das Krankenhaus zu verlassen. Gegebenenfalls (beispielsweise bei den Armen) wurde den Patienten neue Kleidung einhergehend mit einer Geldgewährung zugestanden, um ihnen dabei zu helfen, eine Existenzgrundlage aufzubauen.

 

Erste-Hilfe-Zentren

Zusätzlich zu den oben behandelten ortsfesten Krankenhäusern hatten Städte und große Orte auch Erste-Hilfe-Zentren. Diese Zentren für ambulante Behandlung befanden sich für gewöhnlich an geschäftigen öffentlichen Stellen, wie beispielsweise neben großen Moscheen. Maqrizi beschrieb eine dieser Einrichtungen in Kairo wie folgt: „Als Ibn Tulûn seine weltberühmte Moschee in Ägypten baute, gab es an einem Ende einen Ort für die rituelle Reinigung und auch eine angefügte Arzneiausgabe. Die Arzneiausgabe war gut mit Medikamenten und Bediensteten ausgestattet. Freitags war dort für gewöhnlich ein Arzt im Dienst, um bei dieser riesigen Versammlung jegliche Verletzungsfälle sofort zu behandeln.“

 

Medizinische Fakultäten und Bibliotheken

Eine der Hauptfunktionen der Krankenhäuser war die Ausbildung von Ärzten. Jedes Krankenhaus hatte einen großen Vortragssaal, in dem sich Studenten gemeinsam mit Chefärzten und den Amtsärzten trafen und seminarartig medizinische Problematiken besprachen. Mit fortschreitender Ausbildung begleiteten Medizinstudenten die Chefärzte zu den Krankenstationen und beteiligten sich an der Behandlung der Patienten, ähnlich einer heutigen Facharztausbildung.

 

Die Ausbildung gipfelte in der Bewerbung um eine ärztliche Approbation. Die Kandidaten mussten vor dem von der Kommunalregierung bestimmten Amtsarzt erscheinen. Der erste Schritt erforderte das Verfassen einer wissenschaftlichen Abhandlung auf dem Gebiet, auf dem der Kandidat einen Befähigungsnachweis erlangen wollte. Die Abhandlung konnte eine ursprüngliche Forschungsarbeit oder ein Kommentar zu bestehenden Texten sein, wie beispielsweise Texte von Hippokrates, Galen und nach dem elften Jahrhundert Texte von Ibn Sîna. Die Kandidaten wurden dazu ermuntert, diese früheren Werke sorgfältig auf Fehler hin zu untersuchen. Dieser Schwerpunkt auf Empirismus und Beobachtung an Stelle einer sklavischen Therapietreue war einer der Grundpfeiler der islâmischen intellektuellen Entwicklung im Mittelalter. Nach Beendigung der Abhandlung wurde der Kandidat ausführlich vom Amtsarzt über alle relevanten Probleme seines zukünftigen Fachgebiets befragt. Wenn es ihm gelang zufriedenstellende Antworten zu geben, erhielt er die ärztliche Approbation.   

 

Ein weiterer grundlegender Aspekt des Krankenhauses und von entscheidender Bedeutung sowohl für Studenten als auch für Lehrer war das Vorhandensein umfangreicher medizinischer Bibliotheken. Das ägyptische Ibn-Tulûn-Krankenhaus hatte im 14. Jahrhundert eine Bibliothek, die hunderttausend Bücher verschiedener Bereiche der Medizinwissenschaften umfasste – zu einer Zeit, in der Europas größte Bibliothek an der Universität Paris nur 400 Bände enthielt. 

 

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