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Die Grundkonzepte im Islâm - Teil 11

Die Grundkonzepte im Islâm - Teil 11

Im Qurân gibt es eine Textstelle (Sûra 2:27-39), die repräsentativ für sehr viele andere steht. Diese Textstelle enthält einige grundlegende Prinzipien des Islâm und stellt die Grundlagen der islâmischen Weltanschauung vor. Hervorstechend unter diesen Prinzipien sind folgende:


1. Die Welt ist ein werdendes Gebilde, das durch den Willen eines Gestalters erschaffen wurde und von Ihm zu sinnstiftenden Zwecken erhalten wird. Historische Entwicklungen erfolgen gemäß Seinem Willen und befolgen bestehende Gesetze. Sie werden weder durch blinden Zufall gelenkt noch sind sie willkürliche und ungeordnete Ereignisse.

 

2. Der Mensch ist ebenfalls von Gott erschaffen und damit beauftragt, Gottes Statthalter auf Erden zu sein. Er wurde auserkoren, die Erde zu kultivieren und das Leben mit Wissen, Tugendhaftigkeit, Zweckhaftigkeit und Sinngehalt zu bereichern. Alles auf der Erde und in den Himmeln ist für ihn erschaffen und ihm dienstbar gemacht, damit er dieses Ziel erreichen kann. Das Leben auf diesem Planeten ist kein Gefängnis für den Menschen. Sein Herabkommen auf diese Erde war keine willkürliche Bestrafung für vorher begangene Sünden. Er wurde auch nicht von einer anderen Welt verwiesen und in diese verstoßen. Seine Existenz war weder bloßes Glück noch ein zufälliges Ereignis. 

 

3. Wissen ist eine einzigartige Fähigkeit des Menschen und ein integraler Teil seiner Persönlichkeit und seines Wesens. Das Wissen qualifiziert den Menschen, der Statthalter seines Schöpfers zu sein und berechtigt ihn dazu, den Respekt und die Loyalität sogar von Gottes Engeln einzufordern.

 

4. Die erste Lebensphase auf Erden begann nicht in Sünde oder Auflehnung gegen den Schöpfer. Der „Fall“ aus dem Garten Eden und die darauf folgenden Ereignisse – die Gewissensbisse Adams und Evas, ihre Reue, Gottes Vergebung und Barmherzigkeit für sie, die Feindschaft zwischen Mensch und Satan – waren alle keine Überraschung für den Schöpfer. Es war auch kein Zufall im Lauf der Ereignisse. Es war zu bedeutend, um zufällig geschehen zu sein. Vielmehr scheint es geplant gewesen zu sein, um den ersten Menschen zu erziehen und um ihm unmittelbare Erfahrung des Abstiegs und des Aufstiegs, der moralischen Niederlage und des moralischen Erfolgs sowie der Entfernung vom Schöpfer und der Wiederversöhnung mit dem Schöpfer zu gewähren. Auf diese Weise wurde der Mensch besser auf das Leben vorbereitet und zusätzlich aufgeklärt, um den Ungewissheiten und anstrengenden Zeiten des Lebens entgegentreten zu können.

 

5. Eva war nicht die schwächere Seite des ersten Menschenpaares. Weder verleitete sie Adam zum Essen vom verbotenen Baum noch war sie allein verantwortlich für die Ausweisung aus dem Garten Eden. Adam und Eva waren gleichermaßen verleitet und gleichermaßen verantwortlich. Beide waren reumütig, bereuten und wurden mit Gottes Vergebung und Barmherzigkeit gesegnet. Dieser Punkt ist wichtig, da er Eva von der Verwünschung, die sie und ihr Geschlecht alle Zeiten hindurch verfolgte, befreit und sie von der Beschuldigung, sie trage allein die gesamte oder die größte Verantwortung für den Sündenfall, freispricht. Ferner zeigt dies unmissverständlich, dass der Glaube an die moralische Unterlegenheit der Frauen haltlos und die Doppelmoral völlig unvertretbar ist. An dieser wie auch an anderer Stelle macht der Qurân sehr deutlich, dass Mann und Frau gleichermaßen zu Tugendhaftigkeit und Schwäche imstande, gleichermaßen feinsinnig und gleichermaßen verdienstvoll sind.

 

6. Der Mensch ist ein freier Akteur und mit einem freien Willen ausgestattet. Dies stellt den Wesensgehalt seines Menschseins und die Grundlage für seine Verantwortlichkeit gegenüber seinem Schöpfer dar. Ohne den relativ freien Willen des Menschen wäre das Leben bedeutungslos und Gottes Bund mit dem Menschen sinnlos. Ohne den freien Willen des Menschen wäre der Mensch vollkommen unfähig, jegliche Verantwortung zu tragen. Dies ist natürlich undenkbar.

 

7. Das Leben geht von Gott aus. Es ist weder ewig noch ein Selbstzweck, sondern vielmehr eine Übergangsphase, nach der jeder zum Schöpfer zurückkehren wird.

 

8. Der Mensch ist ein verantwortlicher Akteur. Die Verantwortung für Sünden wird jedoch vom tatsächlichen Rechtsverletzer selbst getragen. Sünden sind weder erblich, übertragbar noch von Natur aus gemeinschaftlich. Jedes Individuum ist verantwortlich für seine eigenen Taten. Und wenn der Mensch auch anfällig für Verderbtheit ist, ist er auch zu Wiedergutmachung und Besserung imstande. Dies bedeutet nicht, dass der Islâm den Einzelnen der Gruppe vorzieht. Individualismus bedeutet nur wenig oder gar nichts, wenn er vom sozialen Kontext getrennt wird. Dies bedeutet, dass der Einzelne verschiedene Rollen zu spielen hat. Er muss sie in einer Weise spielen, dass er dabei seine moralische Integrität und seine Identität wahrt, Gottes Rechte beachtet und seine gesellschaftlichen Pflichten erfüllt.

 

9. Der Mensch ist ein würdiges, ehrenwertes Wesen. Seine Würde rührt von der Tatsache her, dass ihm der Geist seines Schöpfers eingehaucht wird. Noch wichtiger ist, dass diese Würde nicht auf irgendeine bestimmte Rasse, Farbe oder Gesellschaftsschicht der Leute begrenzt ist. Dies ist das natürliche Recht des Menschen – eines jeden Menschen – dem ehrenwertesten Geschöpf auf Erden.

 

10. Die Textstelle verweist schließlich auf die tiefsitzenden Wurzeln der Einzigartigkeit Gottes und auf die Einheit der Menschen. Sie verweist außerdem darauf, dass Frömmigkeit und Wissen die höchsten Tugenden des Menschen sind, und dass dem Menschen, wenn er sich dieses Wissen aneignet und entsprechend der göttlichen Leitung einsetzt, ihm eine segensreiche Bestimmung zugesichert wird und sein Leben ruhig verlaufen wird.


Die Grundkonzepte im Islâm - Teil 10
 

 

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